Ein Pétanque-Spiel ohne Zeitbegrenzung kann in Ausnahmefällen mehrere Stunden dauern, wie man in Fachkreisen hören kann – oder wie ich es meiner Freundin am Telefon erzähle, wenn ich nach über 12 Stunden im Endspiel eines Turnieres stehe. Dabei könnte alles doch so viel zügiger ablaufen, schließlich schaffen es die Franzosen, ihre Turniere pünktlich zum Abendessen zu beenden. Mir persönlich würde es schon genügen, rechtzeitig zum „Tatort“ auf der Couch zu sitzen.
Oft sind nicht die Spieler für die nervigen Verzögerungen verantwortlich, sondern die unflexiblen Turnierleitungen. Erst kürzlich erlebte ich folgendes Szenario: Unser Viertelfinale stand an, der Gegner war gefunden, nur die zugewiesene Bahn war durch eine andere Partie noch blockiert. Die beiden angrenzenden Spielfelder dagegen waren leer und es wäre naheliegend gewesen, einfach dort zu spielen. Aber wir durften nicht und mussten warten. Grund: Der strickte Ablaufplan wollte es so. Es erforderte all unsere Überzeugungskraft, um die Turnierleitung schließlich doch noch vom sturen Festhalten am einmal Beschlossenen abzubringen.
Was bringt es uns auch, wenn wir Spiele aus Zeitgründen zwar bei 2:2 beginnen, die gewonnen Minuten aber wieder unnütz verlieren, weil wir am Abend nicht auf freie Bahnen dürfen? Nichts.
Auf Weltmeisterschaften wird mittlerweile mit einer Zeitbegrenzung von einer Stunde plus zwei Aufnahmen gespielt. Ich bin kein Freund dieser Regel, da es das Spiel entstellt und große spielerische Comebacks fast unmöglich macht. Dennoch könnte ich mich damit abfinden, wenn man die Regel in den beiden ersten Spielrunden anwendet. Von den so gewonnenen Minuten würde das Turnier dann zehren, und man könnte ohne Zeitlimit weiterspielen.
Am Sonntag ist es wieder soweit. Ein Ranglistenturnier mit knapp 60 Mannschaften auf 16 Bahnen steht an, und abends um viertel nach Acht macht mein Lieblingsermittlerteam Professor Karl-Friedrich Boerne und Frank Thiel die Münsteraner Schlager-Szene unsicher. Ein Zwiespalt, den ich die Saison über Sonntag für Sonntag ertragen muss. Meine Theorie: Der Erfinder des Festplattenrekorders muss ein Boulespieler gewesen sein – aus Deutschland.
Boule spielende Transusen …
Ich glaube nicht, dass die inflexiblen Turnierleitungen der wesentliche Teil des Problems sind – es sind vielmehr jene Spielerinnen und Spieler, die jedes Spiel unendlich in die Länge ziehen. So hat sicher jeder schon beobachtet, dass bei den überlange laufenden Partien nahezu immer die gleichen Teams (Spieler) beteiligt sind. Was soll es zum Beispiel, wenn man dreimal das Gelände zwischen Wurfkreis und Ziel eingehend inspiziert, um dann mit einem Eisen-Schuss die missliche Situation zu lösen ( beobachtet bei einem deutschen Kaderspieler in Travemünde)? Bei den Rochers hingegen weiß man, bevor man in den Kreis geht, dass die Situation einen Schuss erfordert, geht in den Kreis, schießt und trifft (!) und der Gegner ist wieder dran.
Zur Turnierdauer: Bei mehreren Besuchen in der Provence haben wir erlebt, dass selbst Turniere mit um die 100 Teilnehmern um 14:30 Uhr beginnen und spätestens um 19:00 Uhr beendet sind. Wie geht das? Nun, es wird sehr viel schneller gespielt, jeder weiß, was zu tun ist, weil das Spiel ständig und aufmerksam verfolgt wird. Die Frage “Wie viele Kugeln kommen noch ?” ist völlig unbekannt oder von einem deutschen Mitspieler gestellt. Das nur als ein Beispiel. Außerdem spielt man strikt A-B-KO! Wer also ab der 2. Runde verliert ist draußen. Punkt! Wir in Deutschland wollen jedem möglichst viele Spiele garantieren, auch wenn es letztlich nur noch um die “Goldene Ananas” geht. Und ein Letztes: Oft werden die Finals nicht gespielt und der 1. Preis einfach geteilt. Betrug am Zuschauer? An welchen? Jenen, die sofort nach dem Ausscheiden ihre Klamotten packen und verschwinden? In der Provence habe ich selbst Halbfinalspiele zusammen mit ca. 50 anderen Zuschauern beobachtet, allerhöchstes Niveau und tolle Stimmung – wozu braucht es dann noch ein Finale, und das möglichst weit nach Einbruch der Dunkelheit?
Flexibilität ist gefragt! Aber nicht nur bei Turnierleitungen (immer bei den Anderen!) sondern auch bei uns als Mitspielern. Wenn mir zwei Spiele bis zum Ausscheiden aus einem Turnier zu wenig sind, gibt es ein probates Mittel: besser spielen! Und dann kann man sich die Ausgabe für einen Festplattenrecorder auch noch sparen und den Tatort live sehen – die meisten Aufnahmen der Rekorder werden sowieso nie mehr angesehen – Zeitmangel, man muss ja zum nächsten Turnier.
Herzlichst
Walter